Nachruf auf Silke Helfrich

© Foto: Robin Stock

Liebe Silke,

einen Tag vor deinem plötzlichen Tod hatten wir noch miteinander gesprochen. Zweien von uns und 15 Studierenden hattest du ein Gespräch geschenkt – online, von Liechtenstein aus, von wo du nicht lebend zurückkehren solltest. Wir sprachen über Eigentum, darüber, dass wir uns die Welt einverleiben müssen, um zu leben. Dass du nun selbst so schnell wieder in die Erde eingehen würdest, hätten wir nie gedacht. Du hattest uns noch einmal die »Beziehungshaftigkeit des Habens« erklärt. Deine Gedanken dazu sind Grundlage auch dieser Ausgabe, jeder Ausgabe – ohne dich sähe Oya anders aus!

Es war gar keine Frage: Als die frischgebackene Oya-Redaktion im Herbst 2009 – der Klimagipfel von Kopenhagen war gerade fulminant gescheitert, der »Wirtschaftsnobelpreis« soeben an die Commonsforscherin Elinor Ostrom verliehen worden – schüchtern bei dir anfragte, ob du uns womöglich bei der Recherche für die erste Ausgabe, die den Arbeitstitel »Allmende / Gemeingüter / Commons« trug, behilflich sein würdest, waren wir kurz darauf schon im gemeinsamen Tun. Du hast uns nicht geholfen – du hast mitgearbeitet, hast den Einführungsartikel geschrieben, mit uns über das Wesen eines Gemeinguts philosophiert und darüber, dass es dabei eben nicht um ein »Gut«, sondern um einen Prozess geht.

Zwischen uns spannte sich ein gemeinsamer Denkraum auf, den wir nie wieder verlassen haben und den wir auch jetzt nicht verlassen. Dieser Raum schlug sich unter anderem in drei weiteren Ausgaben zum Gemeinschaffen, in zahllosen Denkrunden, Dialogen und Wortneuschöpfungen nieder. Wir werden im Austausch mit dir bleiben, liebe Silke – warst du uns doch die denkbar inspirierendste, unerschrockenste, gründlichste, wunderfitzigste, zugewandteste Gesprächspartnerin!
Du lehntest es mehrmals ab, Oya-Rätin zu werden – dazu hättest du keine Zeit. Dabei warst du uns immer Ratgeberin, hast dich nie gescheut, auch uns um Rat zu fragen, wirst uns immer Horizont sein – durch dein Denken, deine Vorträge, deine Texte. Du warst in besonderer Weise dazu begabt, verwandte Geister nicht nur um dich zu scharen, sondern dauerhaft mit ihnen in Verbindung zu bleiben. Wir fühlten und fühlen uns dir in geistiger Clanschaft verbunden. Bei jeder geplanten wie ungeplanten Begegnung hast du dich immer auch nach unseren Kindern erkundigt – nicht der Form halber, sondern aus anteilnehmendem, fürsorgendem Interesse.

»Die De-Ritualisierung unseres westlichen Lebensstils ist eine Tragödie, die ich als gelernter Ossi erst ganz spät begriffen habe«, sagtest du bei unserem letzten Gespräch. Auf welche Weisen werden wir uns wohl von dir verabschieden können, in diesen Zeiten des schwierigen Zusammenkommens? Auf dem Klein Jasedower Ahnentisch – wie auch an anderen polyzentrisch vernetzten Redaktionsorten – brennt auf jeden Fall eine Kerze für dich, neben einem aufgeschlagenen Exemplar von Oya 1, in dem du, ins lebhafte Gespräch vertieft, zu sehen bist.

Dein Tod ist uns Auftrag, deine Arbeit in gemeinschaffenden Denk- und Findungsprozessen weiterzutragen, weiterzudenken – so, wie du es immer getan hast: frei, fair und lebendig.

Die Redaktion

Die folgenden vier Ausgaben sind in enger Zusammenarbeit mit Silke Helfrich entstanden:

#1 | Wovon wir alle leben

#20 | Commoning

#55 | Gemeinschaffen – wie geht das?

#56 | Hüten statt haben