Buchtipps

Berimbau (Buchbesprechung)

von Savitri Susi Hudak-Lazic, erschienen in Ausgabe #16/2012
Photo

Es ist ein schlicht anmutendes Instrument, der Berim­­­­bau: eine hölzerne Bogenstange, eine gespannte Drahtsehne und ein getrockneter Flaschenkürbis als Resonanzkörper, gespielt mit einem Stöckchen und einem Stein. In seiner archaischen Form ist die Verwandtschaft zum Jagdbogen unverkennbar. Man sieht seiner einfachen Bauweise die Vielfalt seiner Klangmöglichkeiten nicht an, und doch sind viele vom obertonreichen, rhythmischen Klang des Berimbaus fasziniert. Das perkussive Saiteninstrument aus Brasilien ist auch in Europa durch seine Verwendung im Kampfspiel Capoeira, in der TaKeTiNa-Rhythmuspädagogik sowie in der Weltmusik und im Jazz bekannt geworden. Einsaitige Musikbögen sind seit prähisto­rischen Zeiten aus allen Kontinenten überliefert, wurden und werden oft als Mundbogen gespielt und gelten als Ur-Vorfahren von Harfe, Gitarre und Geige.
Im ersten Teil informiert Ulla Levens’ fundiert recherchiertes Buch über die Herkunft des Kalebassenbogens in Afrika, seine kulturhistorische Verbindung zu Brasilien und die Bedeutung des Berimbaus in der dortigen Musik und Kultur über die verschiedenen Weiterentwicklungen des Instruments bis hin zu seinem Einzug in westeuropäische Konzertsäle.
Abwechslungsreich, kurzweilig zu lesen und informativ ist der zweite Teil des Buchs, der Erfahrungsberichte von Musikern und Berimbau-Experten versammelt, die die Besonderheiten des Instruments in der Musikpraxis, in der Musiktherapie und beim Capoeira sowie instrumentenbauliche und -akustische Aspekte erläutern. Darunter findet sich auch ein Interview mit dem wohl berühmtesten Berimbauspieler, dem Percussionisten und Komponisten Naná Vasconcelos, der maßgeblich dazu beigetragen hat, den Berimbau vom Rang eines Begleitinstruments zum international anerkannten Soloinstrument zu erheben.
Gut die Hälfte des fast 300 Seiten starken Bands nehmen die spielpraktischen Anweisungen des dritten Teils ein. Skeptisch bin ich da schon immer ein wenig, wenn es ums Selbstlernen von Instrumenten aus Büchern geht. Doch in Kombination mit vielen Abbildungen, farbigen Diagrammen, Noten und herunterladbaren Hörbeispielen zum Mit- und Nachspielen wird die komplexe Spieltechnik des Berimbaus vom Stimmen des Instruments bis zu Schlag- und Abdämpftechniken, Vibratoeffekten und dem zusätzlichen Einsatz der in Brasilien traditionellerweise gleichzeitig gespielten Korbrassel Caxixi schrittweise und nachvollziehbar vermittelt.
So ist diese erste deutschsprachige Monografie mit umfangreichen Informationen und vielen Bildern eine gelungene Gesamtdarstellung eines noch immer (viel zu) wenig bekannten Instruments geworden.


Berimbau
Der afro-brasilianische Musikbogen – Geschichte, Klangwelt und Spielweise.
Ulla Levens
Drachen Verlag, 2012, 270 Seiten
ISBN 978-3927369634
39,80 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #16

Bildungvon Herbert Renz-Polster

Artgerecht aufwachsen

Das Cover der »Times«, das einen Dreijährigen an der Brust seiner Mutter zeigt, hat in diesem Jahr wieder einmal die Diskussion über »zu viel Nähe« für Kinder aufkommen lassen. Dabei gibt es keinen Grund, vor Nähe Angst haben zu müssen.

Die Kraft der Visionvon Bill McKibben

Algebra fürs Klima

Im Juni wurden in den USA 3215 Temperaturrekorde erreicht oder gebrochen. Der Vormonat war der wärmste Mai in der nördlichen Hemisphäre seit Beginn der Klimaaufzeichnung – im 327. Monat in Folge überstieg die Welttemperatur das Mittel des 20. Jahrhunderts; die

Gesundheitvon Matthias Fersterer

Schwarzer Hund Depression

Weltweit steigt die Zahl der depressiven Erkrankungen. Sie sind ebenso weitverbreitet wie ihre Ursachen vielfältig sind. Auch der australische Lyriker Les Murray ist davon betroffen. In einem radikal offenen Buch schreibt er, wie er lernte, mit dem »schwarzen Hund« zu leben.

Ausgabe #16
Stadt Leben

Cover OYA-Ausgabe 16
Neuigkeiten aus der Redaktion