Titelthema

Die Grenzen erkannt

Das berühmte Buch »Die Grenzen des Wachstums« mahnte vor vierzig Jahren eine nachhaltige Entwicklung der Welt an. Donella Meadows war die Haupt-Autorin des bedeutenden Werks. Sie verstarb im Jahr 2001.von Geseko von Lüpke, erschienen in Ausgabe #18/2013
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 Donella Meadows war die eigentliche Autorin jenes historischen Reports unter dem Titel »The Limits to Growth« – »Die Grenzen des Wachstums« –, der vor 40 Jahren die Welt erschütterte. Dass die Verlage ihren Mann Dennis L. Meadows (siehe Seite 20) und mit ihm Jørgen Randers (siehe Seite 32) als Autoren der millionenfach verkauften Studie benannten, weil sie fürchteten, ein wissenschaftliches Buch aus der Feder einer Frau würde sich nicht verkaufen, ließ sie nur milde lächeln. Sie wollte das Wissen in der Welt haben, nicht ihren Namen. »Wir leben in einer Welt, die sich größtenteils nicht um Nachhaltigkeit kümmert. Das bedeutet: Wir kappen die Wurzeln, die uns am Leben erhalten. So kann es nicht weitergehen. Das ist wirklich so, als befänden wir uns mitten in einem Zusammenbruch, der in Zeitlupe abläuft. Aber wir müssen ja nicht in diesem Zustand bleiben. Ich glaube nicht, dass wir so dumm sind.« So sagte sie mir in einem Interview, das ich kurz vor ihrem plötzlichen Tod im Jahr 2001 mit ihr führte. Dem Zustand der Verdrängung mit Ehrlichkeit und Engagement zu begegnen, sah sie als Lebensaufgabe – als Wissenschaftlerin, Aktivistin, Autorin und Journalistin.
Nachhaltigkeit sei das, was wir daraus machten: »Natürlich müssen wir Natur schützen. Aber ich meine auch: Wir müssen dafür sorgen, dass es keine Menschen mehr gibt, die in Armut und Elend leben, und andere, die stattdessen zu viel Zeug haben und zu wenig Zeit. Wir müssen dafür sorgen, dass wir Zeit haben für unsere Familien, Zeit zum Draußensein, dass wir geistig wachsen statt immer nur materiell. Das ist die Welt, die ich will. Warum soll ich das nicht ›nachhaltig‹ nennen?«
Donella Meadows wurde 1941 in Elgin, Illinois, geboren. Sie studierte zuerst Chemie, promovierte aber in Harvard in Biophysik. Am Massachusetts Institute for Technology traf sie Jay Forrester, der damals als erster die Systemdynamik entwickelte, um komplexe und dynamische Systeme in Modellen zu simulieren. Als junge Forscherin bekam sie die Aufgabe, die gesamte Biosphäre mit dem »World3«-Programm nachzuformen. Die Ergebnisse, die sie mit ihrem Mann Dennis und einem Team aus Studenten erarbeitete, erschienen ihr besorgniserregend. Ihren Kern bildete die Erkenntnis, dass ein endlicher Planet kein unbegrenztes Wachstum verträgt: »Es gibt planetare Gesetze, die lauten: Wenn du einen Rohstoff schneller verbrauchst, als er nachwächst, wirst du ihn in Zukunft nicht mehr haben. Wenn du mehr Fische fängst, als neue geboren werden, wird es keinen Fisch mehr geben. Das sind die Gesetze des Planeten! Sie werden unsere menschlichen Gesetze brechen, solange sie nicht in Übereinstimmung mit ihnen sind.« Die Frau, die die »Grenzen des Wachstums« erkannt hatte, blieb nicht in den Statistiken stecken. Sie stellte tiefere Fragen: »Ich glaube, dieses herrschende Weltbild ist schlicht falsch. Es wurde während eines Bruchteils der menschlichen Geschichte von einem Bruchteil der Menschheit angewandt. Wir müssen uns heute eingestehen: Es war ein interessantes Experiment, aber es funktioniert nicht. Also lasst uns ein neues Selbstverständnis finden!«
Als Gesellschaft und Kultur nicht auf die wissenschaftlichen Mahnungen reagierten, entschloss sich Dana – wie sie von Freunden genannt wurde –, nicht länger darauf zu warten, dass andere die Zukunft in die Hand nähmen. Sie gründete einen ökologischen Bauernhof, den sie 26 Jahre lang führte. Rundherum entstand ein Ökodorf, in dem soziale Modelle für die Zukunft erforscht wurden. Später wurde ihr wissenschaftliches »Sustainability Institute« daraus. »Für die unmittelbare Zukunft bin ich ein Pessimist, langfristig aber ein Optimist«, beharrte sie. »Überall wird mit Nachhaltigkeit experimentiert. Manche der Experimente sind winzig, andere wirklich gewaltig. Dort bringe ich mich ein, experimentiere selbst, und wir lernen voneinander. Wenn man sieht, dass eine nachhaltige Welt nicht nur möglich, sondern sogar besser ist, dass sie bereits umgesetzt wird und sich die Menschen enorm schnell umstellen können – wie soll man da etwas anderes sein als ein Optimist?«
Welch Ironie des Schicksals, dass diese große Ökologin und Pio­nierin zum Opfer eines winzigen Parasiten wurde: Dana ­Meadows starb am 20. Februar 2001 an den Folgen eines Zeckenbisses – bis in den Tod mahnendes Symbol dafür, dass auch kleinste Einflüsse ein großes System zu Fall bringen können. 

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