Permakultur

Kreative Landwirtschaft

Zu Besuch auf Sepp Holzers berühmtem Permakulturhof.von Sylvia Buttler, erschienen in Ausgabe #11/2011
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An einem nebelverhangenen Morgen fahre ich die schmale Serpentinenstraße zum 1100 Meter (!) hoch gelegenen Krameterhof hinauf. Vierzig Hektar werden hier seit Jahrzenten nach den Prinzipien der Holzer’schen Permakultur bewirtschaftet.
Die Führung über das Anwesen übernimmt Josef Andreas Holzer, der seit 2009 den Betrieb leitet, während sein Vater Sepp Projekte in der ganzen Welt betreut. Josef Andreas Holzer erläutert, dass Permakultur zunächst nichts anderes bedeutet als Landwirtschaft, egal, ob auf Selbstversorgung oder Vermarktung ausgerichtet. Im Vordergrund stehen dabei die Arbeit mit den vorhandenen Ressourcen Wasser und Boden sowie eine verantwortungsbewusste Tierhaltung. Stabilität erhält diese Wirtschaftsform durch ihre Vielfalt, denn Spezialisierung auf wenige Produkte wird hier abgelehnt. Holzer junior erklärt uns, dass kein Bestandteil des Betriebs isoliert betrachtet werden könne, da alles miteinander verbunden sei und jedes Teil im System immer gleich mehrere Zwecke erfülle. So dient ein Hügelbeet in erster Linie der Kompostierung, aber auch dem Gemüse- und Kräuteranbau sowie der Landschaftsgestaltung. Allerdings stellt er klar, dass Hügel- oder Hochbeete alleine noch keine Permakultur ausmachen, und andererseits diese auch sehr gut ohne solche Beete auskomme. Die einzige Regel für die Anlage eines Hügelbeets lautet ihm zufolge: Es gibt keine Regeln. Warum eine Wissenschaft daraus machen? Man nimmt eben das Material, das da ist, solange nur verschiedene organische Materialien gemischt werden. Es sind immer die vorhandenen örtlichen Gegebenheiten, die die Möglichkeiten und Grenzen der Bewirtschaftung vorgeben. So haben wir während des Rundgangs ständig das Gefühl, uns im Wald aufzuhalten, da es keine großflächigen Wiesen oder Äcker gibt, sondern vielmehr inmitten der Waldlandschaft Terrassen, auf denen Getreide, Kartoffeln und Obst angebaut werden.

Experimentierfreude als Erfolgsrezept
Ein wesentlicher Teil des Krameterhofs sind die rund siebzig Teiche, die untereinander ein ausgetüfteltes System darstellen. Es wechseln sich bewirtschaftete Wasserflächen, in denen Fisch- und Krebszucht betrieben wird, mit Klärteichen und stark bewachsenen Feuchtbiotopen ab. Die Teichwirtschaft stellt die wirtschaftliche Grundlage des Betriebs dar, verkauft werden vor allem Edelkrebse, Schleie und Karpfen. Ansonsten hat Sepp Holzer in den letzten vierzig Jahren seine Produktpalette ständig verändert. War es in den 80er Jahren die Pilzzucht, die er recht umfangreich betrieb, traten später die Baumschule, vorwiegend für Obstgehölze, die Tierhaltung und die Imkerei in den Vordergrund. Es wurde ständig nach Nischen gesucht, nach dem, was einem selbst Spaß macht, und wieder damit aufgehört, wenn andere auch diese Produkte anboten. »Wenn in der Landwirtschaftszeitung angepriesen wird, dass etwas Zukunft hat, hör sofort damit auf«, ist in dem Zusammenhang Sepp Holzers Motto gewesen.
Er begreift Veränderung nie als Niederlage, sondern immer als Chance, und er scheint damit richtig zu liegen – für einen Landwirt eine eher ungewöhnliche Sichtweise. Überhaupt merkt man dem Anwesen an, dass alles mit Freude geschieht. Freude an der Vielfalt, an der Gestaltung und daran, ständig Neues auszuprobieren. Derzeit wird eine größere Solar-Kräutertrocknungsanlage aus Recyclingmaterial gebaut. Entspannt geht Holzer auch mit Unvorhergesehenem um: In der vergangenen Nacht hat der Hagel seinen Radieschen sehr zugesetzt. Aber statt nun über den Ernteausfall zu klagen, wird der Acker kurzerhand zur Schweineweide erklärt.
Die Schweine leben wie alle Tiere in Weidehaltung, was nicht nur ein Leben auf der Weide, sondern auch von der Weide bedeutet. Erdkeller dienen als Unterstände. Holzer füttert möglichst wenig zu, und wenn, dann Getreide vom eigenen Hof. Bis zur Schlachtung sollen seine Tiere so gut und frei wie möglich leben können.
Es ist sehr warm geworden, und ich habe den Eindruck, dass es den Rindern auf den schattigen Waldweiden gut gefällt.

Hauptprinzip Symbiose
Immer wieder ermuntert uns Josef Andreas Holzer, die eigene Selbstversorgung zu wagen, und sei sie noch so klein. Kein gekauftes Lebensmittel könne so gut sein wie das Selbstgezogene. Ein Topf Basilikum auf dem Balkon sei bereits der erste Schritt zu hochwertiger Kost aus eigenem Anbau, so der Profi.
Besondere Bedeutung haben in der Holzer’schen Permakultur die Hühner, da diese vielfachen Nutzen bringen. Sie produzieren nicht nur ein hochwertiges Lebensmittel wie das Ei, sondern vertilgen Schnecken, bearbeiten den Boden durch stetiges Scharren, düngen ihn und erfreuen den Beobachter. Auf dem Krameterhof werden die Hühner nicht in Ställen gehalten, sondern im Freien. Zum Schutz vor Räubern leben sie in Gemeinschaft mit einigen Schweinen, die durch ihre Anwesenheit Fuchs oder Habicht abschrecken.
Die Symbiose zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Anlage. Alles ist möglichst einfach gestaltet, mit wenig Aufwand und Kosten. Statt ständig zu gießen, »erzieht« Holzer seine Tomaten lieber dazu, längere Wurzeln zu bilden. Die mobile Kräutertrocknung ist auf eine Sackkarre montiert und wird so nah wie möglich an der Küche aufgestellt, die Erdkeller dienen mal als Stall für Rinder oder Schweine, dann wieder als Lagerraum für Kartoffeln oder Wein. Die Terrassen im Berg sind nie als Sackgassen angelegt, damit keine überflüssigen Wege zurückgelegt werden müssen. Benötigt er langfaseriges Stroh für den Bau von Bienenkörben, dann baut Holzer ein wenig Roggen an, der von Hand geschnitten wird. Vieles auf dem Hof wirkt zufällig: hier wächst Gemüse, daneben wuchern Brennnesseln, die zu Jauche oder Viehfutter werden. So richtig geplant ist auch das Wenigste, gibt Josef Andreas Holzer auf Nachfrage gerne zu. Meistens legt er einen Teich oder Acker deswegen an, weil plötzlich Bedarf da ist. Bis auf einige Fruchtfolgen auf den Terrassen entscheidet er sehr spontan, wie ein Bereich des Hofs im nächsten Jahr genutzt wird.
Auch den großen Höhenunterschied des Grundstücks von immerhin vierhundert Metern sieht Holzer junior eher als Vorteil. Da zum Beispiel die Johannisbeersträucher auf drei Höhenlagen wachsen und zeitversetzt reifen, besteht kein Erntedruck, und er kann dann Beeren verkaufen, wenn auf dem Markt keine mehr zu finden sind. In höheren Lagen habe man zudem auch kaum Pro­bleme mit Obst-Schädlingen. Da ist es wieder, das Prinzip, lieber die Vorteile eines Standorts zu erkennen und zu nutzen, als über seine Nachteile zu klagen. Hat man eine feuchte Stelle auf dem Gelände, bietet sich die Anlage eines Teichs an, ist das Land steinig, baut man mit Hilfe der Steine eben Kräuterberge. Diese Sichtweise beeindruckt die Tagesgäste sichtlich, und beim Mittagessen werden für die »­Ungunstlagen« daheim schon fleißig Pläne geschmiedet.
Am Abend verlässt eine Gruppe begeisterter Besucher den Krameterhof, und ich frage mich, warum ich bis heute mit der Böschung auf meinem Hof gehadert habe. Sie ist doch ideal für die Anlage eines Kräuterbergs und die Pflanzung von Obststräuchern geeignet! So geht es vielen Teilnehmern; wir sind inspiriert von den vielen Eindrücken und angesteckt von der Leidenschaft und der Leichtigkeit, mit der auf dem Krameterhof Landwirtschaft betrieben wird. Hier entsteht wirklich der Eindruck eines eigenen Kosmos, in dem alles wachsen darf und seine eigene Aufgabe hat. Zum Abschied kaufe ich noch ein Glas Honig und habe auf dem Weg ins Tal das Gefühl, in einem kleinen Paradies gewesen zu sein. 
 

Sylvia Buttler (43) ist Landwirtin und Autorin. Sie lebt im Bayerischen Wald und züchtet bedrohte Haustierrassen, darunter die seltenen Alpinen Steinschafe. www.am-schimmelbach.de

Inspiration vom Hof der »Agrar-Rebellen«
www.krameterhof.at
Literatur:
Die Bücher »Sepp Holzers Permakultur«, »Der Agrar-Rebell«, »Kräuterspiralen, Terrassengärten & Co.« sowie »Der Agrar-Rebell und seine neuen Projekte« kann man im Onlineshop der Homepage bestellen.

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