Buchtipps

Befreiung vom Überfluss (Buchbesprechung)

von Anja Humburg, erschienen in Ausgabe #15/2012
Photo

Niko Paech liefert gute Argumente für all diejenigen, die den Mut haben, mit einer Postwachstumsökonomie anzufangen. Dabei verlangt er ihnen allerdings so etwas wie geistigen und praktischen Dauerkopfstand ab, denn die gängigen Logiken des grenzenlosen Konsumierens und Produzierens – auch ihre grünen Spielarten – greifen hier nicht mehr.
Der Volkswirt schlägt vor, nur noch 20 Wochenstunden Lohnarbeit zu leisten. Ein Großteil der ehemaligen Arbeitszeit dient dann der Eigenproduktion, Instand­haltung und der gemeinschaftlichen Nutzung. Gärtnerische und handwerkliche Fähigkeiten, aber auch soziale Netzwerke erhalten damit einen essen­ziellen Stellenwert. Die übrige Zeit stünden, so Paech, der Entrümpelung und Entschleunigung zu, um »Wohlstandsballast abzuwerfen« und sich von Überflüssigem zu befreien. Dafür sei kaum oder gar kein Geld nötig.
Das ist das Comeback der Suffizienz in attraktivem Kleid. Doch auch in einer Postwachstumsökonomie lässt sich nicht allen Bedürfnissen durch Selbstversorgen und Reduzieren nachkommen. Das Salär der Lohnarbeit könne man sich in der lokalen Regio­nalwährung auszahlen lassen und damit die Wertschöpfungsketten vor Ort unterstützen. Was nicht für in der Region hergestellte Dinge ausgegeben werden kann, investiere man in effiziente und umweltverträgliche Produkte aus der globalen Arbeitsteilung, schlägt Paech vor. Der Clou dabei ist, dass überall, wo etwas Neues auf den Markt kommt, etwas anderes verschwindet. Postwachstum bedarf also eines großangelegten wirtschaftlichen Rück- und Umbaus. Damit der Mainstream und die Politik mitziehen, sei es heute die Sache von uns Pionieren, Bewegung in die Praxis zu bringen.
Das Pamphlet legt sich wohltuend über die eingefahrenen Spurrillen der 40 Jahre alten Nachhaltigkeitsdebatte. Niko Paech bietet der dahinsiechenden Diskussion Substanz; er zeigt Wege, sich doch noch zu mausern, wo grünes, nachhaltiges oder ähnlich klingendes Wachstum zur Farce geworden ist.
Das kleine Buch hat es also in sich – möge es in den Monaten nach seiner Veröffentlichung zur vieldiskutierten Streitschrift werden und das Ende der bequemen Convenience-Nachhaltigkeit besiegeln.
Niko Paech bleibt authentisch und lebt selbst eine Ökonomie der Nähe vor. Dem populären Nachhaltigkeitsforscher, der in seinen zahlreiche Vorträgen durch eloquente Ausdrucksweise hervorsticht, gelingt mit dem kompakten Büchlein auch ein sprachliches Kunstwerk.


Befreiung vom Überfluss
Auf dem Weg in die Postwachstums­ökonomie.
Niko Paech
oekom Verlag, 2012, 155 Seiten
ISBN 978-3865811813
14,95 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #15

Photo
von Farah Lenser

Ich hänge im Triolengitter (Buchbesprechung)

Liebe auf den ersten Blick: Eine schicksalshafte Begegnung auf einer Straße in Köln im Jahr 1957 ist der Beginn einer künstlerischen Vermählung zwischen Mary Bauermeister und Karlheinz Stockhausen – letzterer schon damals ein bekannter Komponist elektronischer Musik, sie

Kunstvon Clara Steinkellner

Klänge aus einer Welt

Die Klanghütte Dresden ist ein zauberhafter Ort des Spielens, der zu einem besonderen Abenteuer einlädt: dem Zuhören.

Gesundheitvon Sarah Knauth

Renaissance der Pflanzenheilkunde

Pflanzen spielen in deinem Leben und in deiner Arbeit eine große Rolle. Die Bezeichnung Phytologe ist nicht ganz so geläufig. Umgangssprachlich könnte man dich auch als Pflanzenheilkundler bezeichnen. Woher kommt deine tiefe Verbundenheit zu den Pflanzen, gab es so etwas wie ein

Ausgabe #15
Spielen? Spielen!

Cover OYA-Ausgabe 15
Neuigkeiten aus der Redaktion