Buchtipps

Das Prinzip Natur (Buchbesprechung)

von Peter Krause-Keusemann, erschienen in Ausgabe #18/2013
Photo

Ob man sich von Natur umgeben oder inmitten von ihr empfindet, ist ein gravierender Unterschied. Ist uns Menschen die Natur (zuweilen) ein Gegenüber, oder erleben wir uns als Teil einer umfassenden und zugleich differenzierten Lebewesenwelt? Soviel ist klar: Über so etwas denkt unsere Gesellschaft beklagenswert wenig nach. Wenn es nach Richard Louv, dem Autor des Buchs »Das Prinzip Natur«, gehen würde, müssten darum viele, viele Gelegenheiten geschaffen und aufgesucht werden, die uns Menschen wieder fühlen lassen, was die Natur an Wunderbarem für uns bereithält.
Solche Feststellungen sind keineswegs Ausdruck von Schwärmerei, sondern werden mit zahllosen Fakten belegt, die einen erstaunen lassen: Im Krankenhaus kann man schneller genesen oder Schmerzen besser ertragen, wenn man in die Natur blicken kann. Gedächtnisfähigkeit und Intelligenz nehmen durch Spaziergänge signifikant zu. Erkrankten werden von innovativen Ärzten Naturrezepte ausgestellt, die regelmäßige Wanderungen verordnen.
Eine von vielen Beschreibungen, die besonders begeistern, handelt vom Adirondacks Park im Norden des US-Bundesstaats New York, in dem auf der größten geschützten Fläche der gesamten USA Land in ein urwaldliches Paradies für alle Lebewesen zurückverwandelt werden konnte, ohne die dort lebenden und wirtschaftenden Menschen zu verbannen. Diese Bioregion ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass Mensch und Natur zusammenleben können, ohne das natürliche Gleichgewicht zu gefährden.
Die Bandbreite der vorgestellten Ideen, Projekte und Optionen reicht weit. Vieles vom Beschriebenen lässt sich sofort und einfach im beruflichen oder privaten Alltag umsetzen. Dabei verfolgt der Autor ein einfaches Prinzip der Ausgeglichenheit: In dem gleichen Maß, wie wir Hightech in unserem Leben nutzen, sollten wir Kontakt zur Natur haben. Das Buch ist kein einfaches Plädoyer für mehr Natur oder Wildnis, sondern eines, das aufzeigt, wie die Heilkräfte der Natur (von Neuem) erfahren werden können. Das Buch ist von prinzipieller Bedeutung und beachtlicher Qualität. Es verdient unbedingt, von vielen gelesen zu werden, macht Spaß und erfrischt – nicht zuletzt auch wegen der Weisheit des Autors, die immer wieder in Sätzen wie diesem aufblitzt: »Wir können nicht etwas beschützen, das wir nicht lieben, wir können nicht lieben, was wir nicht kennen, und wir können nicht kennen, was wir nicht sehen. Oder hören. Oder spüren.«


Das Prinzip Natur
Richard Louv
Beltz Verlag 2012
335 Seiten
ISBN 978-3407859488

19,95 Euro

weitere Artikel aus Ausgabe #18

Photo
Globale Perspektivenvon Petra Steinberger

Die Eisenzeit ist nicht vorbei

Die gesamte Landfläche von Trantor, 75 Millionen Quadratmeilen, war eine einzige Stadt […] es gab auf der gesamten Oberfläche kein einziges lebendiges Wesen außer dem Menschen.« So beschrieb der amerikanische Science-Fiction-Autor Isaac Asimov auf den ersten Seiten

Photo
von Jochen Schilk

Vermächtnis (Buchbesprechung)

»Was können wir von traditionellen Gesellschaften lernen?« – diese Frage ließ mich Mitte der 90er Jahre einige Semester Ethnologie studieren. Es sieht so aus, als bewegte die Frage heute noch mehr Westler als damals, denn Jared Diamonds neues Buch

Photo
von Caroline Claudius

Im Bann der sinnlichen Natur (Buchbesprechung)

Wir umgeben uns mit Totgeborenem, Symptom des wildgewordenen Kapitalismus. Das Nicht-Lebendige stößt besonders bitter auf, wenn unter dem zynischen Deckmantel des Organischen infertile Konsumprodukte unsere verdrängte Sehnsucht nach wirklich Nährendem befriedigen sollen:

Ausgabe #18
Nützlich sein, statt übernutzen!

Cover OYA-Ausgabe 18
Neuigkeiten aus der Redaktion