Buchtipps

Zoopolis (Buchbesprechung)

von Matthias Fersterer, erschienen in Ausgabe #25/2014
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Es ist eine wahre (R)Evolution im Verhältnis zwischen Mensch und Tier, die Sue Donaldson und Will Kymlicka in »Zoopolis« vorschlagen: Sie fordern für unsere tierischen Verwandten nicht Tier-, sondern Bürgerrechte. Unsere vielfältigen Beziehungen zu Tieren müssten in »ausgeprägt politischem Sinn interpretiert werden«, schreiben die Journalistin und der Philosoph. »Tiere stehen in variablen Beziehungen zu politischen Institutionen und Praktiken der staatlichen Hoheits- und Territorialgewalt, der Kolonisierung, Migration und Zugehörigkeit.« Demnach könnten in rechtlicher Hinsicht Wildtiere indigenen Gemeinschaften, nomadisierende Tiere Migranten und ehemalige Nutztiere in Freiheit entlassenen Sklaven gleichgestellt werden. Freilich wirft dies Fragen auf, nicht zuletzt nach der Umsetzbarkeit: So dürfte es schlichtweg unmöglich sein, die 750 Millionen tierischen Mitbürgerinnen und -bürger in spe, die alleine in Deutschland Jahr für Jahr in Massentierhaltungsanlagen dahinsiechen, auszuwildern, zu resozialisieren oder zu entschädigen. Dies spricht jedoch nicht gegen den tierpolitischen Ansatz als solchen, sondern unterstreicht vielmehr, in welches ethische und zivilisatorische Dilemma wir uns hineinmanövriert haben. So radikal Donaldsons und Kymlickas Entwurf in Hinblick auf den rechtlichen Status der Tiere sein mag, so überbrückt er doch nicht die tiefe Kluft, die Jahrtausende speziezistischen Denkens zwischen die menschliche und die mehr-als-menschliche Welt eingekerbt haben: Das Autorenduo unterscheidet strikt zwischen »belebter« und »unbelebter« Natur, wodurch etwa Bäume von Selbsthaftigkeit und Eigenrechten ausgeschlossen sind. Weiter ging da etwa der Jurist Christopher D. Stone (»Haben Bäume Rechte?«), der bereits 1972 für die Eigenrechte der Natur plädierte. Dennoch ist dieses scharfsinnig argumentierte und faktenreiche Buch ein wichtiger Beitrag zur aktuellen Mensch-Tier-Debatte.

 

Zoopolis
Sue Donaldson und Will Kymlicka
Suhrkamp, 2013
608 Seiten
ISBN 978-3518586006
36,00 Euro

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von Manuela Pusker

Schöne alte Welt (Buchbesprechung)

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Jede real existierende Gemeinschaft definiert sich auch über diejenigen, die sie ausschließt. Jedem »Wir« steht ein »Die« gegenüber: hier die Inhaber grundlegender Rechte, dort die Rechtlosen. In diesem Sinn ist jede Rechts­gemeinschaft auch eine Unrechtsgemeinschaft.

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Soziales Kraftwerk

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Ausgabe #25
Gemeinschaft

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