Permakultur

Afrika macht es vor

Permakulturprojekte in Subsistenzgesellschaften zeigen neue Wege auf.von Margarethe Holzer, erschienen in Ausgabe #7/2011
Photo

Im Herbst 2009 fand in Malawi der 9. Internationale Permakultur-Kongress statt. Sein Motto lautete: »Lösungen gestalten für eine nachhaltige Zukunft!« Dabei wurden besonders die Themen »Nahrung« und »Ermächtigung« als ausschlaggebend für das Treffen in Afrika hervorgehoben, denn Permakultur ist wegweisend, wenn es um die Frage des Überlebens sowie um Möglichkeiten geht, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen und für die eigenen Bedürfnisse, Interessen und Wünsche aktiv einzutreten.
Mit Hilfe permakulturellen Wissens lassen sich familiäre und andere soziale Systeme planen und gestalten, in denen die »Menschen auf nachhaltige Weise selbst für ihre Nahrung, Energie, Unterkunft und ihre sonstigen materiellen und nicht materiellen Bedürfnisse sorgen«, so Bill Mollison in seinem Permakultur-Handbuch.
Im Jahr 1987 hat Permakultur-Begründer Bill Mollison den ersten Kurs in Bots­wana gehalten. Einige Teilnehmer dieses Kurses gehören heute zu den wichtigsten Vermittlerinnen und Vermittlern von Permakultur auf dem Kontinent. Ausgehend von einem Projekt in Simbabwe gibt es inzwischen 200 Permakulturschulen in sechs Ländern Afrikas – und das Potenzial ist nach wie vor riesig.
Neben Ausbildungen, Vorträgen und Diskussionen bot sich dem Kongresspublikum auch in Malawi, wie nach jedem Internationalen Permakultur-Kongress, die Möglichkeit, Permakultur-Systeme der Gastregion zu besuchen. Ich habe viele beeindruckende Projekte gesehen und zwei davon ausgewählt, bei denen es besonders um die Subsistenzwirtschaft im Sinn von Selbstversorgung geht. Beide liegen im relativ nahegelegenen Simbabwe.

Bäume bringen das Wasser zurück
Wenn man heute aus Chimanimani zwanzig Kilometer über eine unbefestigte Straße nach Chikukwa fährt, taucht, nachdem man die bürstenähnlichen Forstwälder hinter sich gelassen hat, ein hügeliges, grünes, landwirtschaftlich gepflegtes Gebiet auf der anderen Seite des Tals auf, das alle Vorurteile über Afrika Lügen straft. Chikukwa liegt im Osten Simbabwes in einer regenreichen Gegend an der Grenze zu Mosambik und besteht aus einer Ansammlung von einigen Dörfern. Vor etwas mehr als zwanzig Jahren standen die Familien allerdings nahezu vor dem Ruin, der neben den politischen Herausforderungen jener Zeit auch noch andere Gründe hatte. Abholzung, heftige Regenfälle und Überweidung (weil die Weidefläche für die Rinder der Einheimischen von der Forstindustrie begrenzt wurde) führten zu weitflächiger Bodenerosion, die Hänge drohten abzurutschen. Im Jahr 1991 versiegten die wichtigsten Wasserquellen. Zunächst war der Bevölkerung der Zusammenhang zwischen Abholzung, Bodenerosion, Trockenheit des Bodens und dem Versiegen der Quellen trotz heftiger Regenfälle nicht bekannt. Sie suchten Rat und fanden diesen schließlich in zwei Permakulturspezialisten, John Wilson und Elias Mlambo. Dreißig Bäuerinnen und Bauern hörten aufmerksam deren Vortrag zu, man analysierte gemeinsam die Probleme und erwog Lösungen.
Teile der Zuhörerschaft begannen anschließend, Bäume zu pflanzen, andere aus den Dörfern wurden neugierig, sie fragten nach und folgten dem Beispiel. Zwei Jahre später waren die Hänge aufgeforstet und terrassiert, die Erde konnte Wasser speichern, und die Quellen sprudelten wieder. Die gesamte Gemeinde war in Bewegung geraten, es wurde eine Stiftung gegründet, und 1996 wurde unter großer Beteiligung der Einwohnerschaft das Permakultur-Zentrum CELUCT (Chikukwa Ecological Land-Use Community Trust) geplant und gebaut. In diesem Zentrum, das auch einen Kindergarten beheimatet, wird die Basis­ausbildung für Permakultur vermittelt. Die weitere Schulung der Interessierten übernehmen inzwischen die Bauern und Bäuerinnnen selbst auf ihren Höfen. Vor allem Frauen nahmen – zunächst zum Leidwesen der Männer – die neuen Herausforderungen an und entwickelten sich zu ausgezeichneten Lehrerinnen.
Heute hat in Chikukwa jeder Hof eine eigene Wasserleitung, die Quellgebiete sind geschützt, und nahezu jeder Hof ist ein Permakultur-Hof, was bedeutet, dass von 1000 ansässigen Familien 700 nach permakulturellen Grundsätzen leben. Sie bauen Lebensmittel an, ernähren sich gesund, halten ihre Umgebung und ihre Häuser liebevoll in Ordnung und schmücken ihr Heim als Zeichen von Zufriedenheit und Wohlbefinden. Niemand sieht mangelernährt aus, die Kinder können die Schule besuchen, und einzelne haben bereits neue Wirtschaftszweige für sich entdeckt, etwa den Anbau von Bio-Kaffee.

Aufbau eines Bildungszentrums
Julious Piti, der beim Aufbau von CELUCT von Anfang an dabei war, wollte beweisen, dass die Arbeit mit der Methode der Permakultur auch in einem sehr trockenen Gebiet, in dem es sechs Monate lang nicht regnet, zum Erfolg führt. 1996 hat er mit seiner Frau Taurai Mutembedzi und einigen seiner Brüder vom ortsansässigen »Chief« des 200-Familien-Dorfs Chaseyama die Erlaubnis bekommen, auf 14 Hektar Land mit der Planung und Umsetzung eines Permakultur-Systems zu beginnen.
Das Wasser dafür wurde zunächst mühsam aus einer tiefergelegenen Quelle heraufgetragen. Nachdem der Wald oberhalb des Dorfs aufgeforstet und unter Schutz gestellt worden war, konnte ein Wasserspeicher gebaut werden, der nun sogar die Höfe in der Umgebung mit Wasser versorgt. In einem Gebiet, in dem fast alle Familien von der eigenen Landwirtschaft leben, zugleich aber große Armut herrscht – durch Bodenerosion aufgrund von Abholzung, durch Wassernot, Mangelernährung, Abhängigkeit von Nahrungsmittellieferungen –, kann ein Anwesen, das das ganze Jahr über grün ist und Nahrung produziert, viel Aufmerksamkeit erregen.
Im Jahr 2006 gewann das Projekt den nationalen Umweltpreis und wurde von hochrangigen Regierungsmitgliedern besucht. Das Interesse der umliegenden Bauern und Bäuerinnen zeigt, wie notwendig die Weitergabe von permakulturellem Wissen ist. Tag für Tag kommen Menschen, um von diesem Beispiel zu lernen, weshalb Julious Piti seine Arbeit bei CELUCT aufgab, um sich ganz dem Aufbau des Bildungs- und Trainingszentrums PORET (Participatory Organic Research, Extension and Training Project Trust) in Chaseyama zu widmen. Der Lebensstandard des ganzen Gebiets kann noch weiter verbessert werden, wie es auch das Beispiel in Chikukwa zeigt. Besonders den Jugendlichen sollen Wissen, Ausbildung und somit Perspektiven vermittelt werden.

Bloß ein Tropfen auf heißem Stein?
Man wagt angesichts der Flut an er-nüchternden Meldungen aus sogenannten Entwicklungsländern kaum zu hoffen, dass derartige Beispiele mehr sein könnten als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass Permakultur in Afrika eines der bedeutendsten Modelle der Landschafts- und Gesellschaftsgestaltung ist, das den Menschen das (Über-)Leben in ihrer Heimat ermöglicht – und dies in der Art von Nachhaltigkeit, wie sie für die Zukunft unseres Planeten richtungsweisend ist.


Margarethe Holzer (52) ist Gründungsmitglied der Permakultur-Akademie im Alpenraum.

 

Helfen und mehr erfahren
Unterstützung gesucht:
Die OrganisatorInnen des Projekts PORET freuen sich über Unterstützung beim Aufbau. Kontakt und Informationen über Margarethe Holzer unter margarethe.holzer@utanet.at
Internet:
Infos über den Internationalen Permakultur-Kongress 2011 in Jordanien sowie (unter »Archive«) auch über den IPC9 in ­Afrika 2009:
www.ipcon.org
Präsentation über Chikukwa unter:
http://presentations.chikukwa.org
Broschüre über CELUCT unter:
http://tinyurl.com/62vwlj9

weitere Artikel aus Ausgabe #7

Philosophievon Matthias Fersterer

Widerstandskräfte

Kann man für Frieden kämpfen? Bewirken wir mit dem Einsatz für eine bessere Welt überhaupt etwas, oder sind wir zu Gutmenschentum verdammt? Drei Bücher zu Geschichte und Zukunft des Widerstands geben Antworten.

Aktion & Widerstandvon Johannes Heimrath

Auch wir halten das System am Leben

Johannes Heimrath Mathias, ich freue mich, dass wir hier in Klein Jasedow Zeit für ein Gespräch haben. Ich möchte mit deiner bemerkenswerten Frage in deinem Artikel »Rein in die Politik« aus Oya 2 beginnen: »Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass man mit

Kunstvon Gandalf Lipinski

Gandalf denkt …

Vieles haben wir schon geschaffen und selbstgemacht und uns doch wie Exilanten in der eigenen Gesellschaft gefühlt. Wo es ums große Ganze geht, sind die Kulturkreativen seltsam sprachlos geblieben. Heute werden Klimawandel, Zerstörung von Umwelt und Gemeinwohl, der absehbar

Ausgabe #7
(R)evolution

Cover OYA-Ausgabe 7Neuigkeiten aus der Redaktion